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Was bleibt, wenn das Licht ausbleibt – Ein Photohike am Rursee

  • Autorenbild: Lars-Henrik Roth
    Lars-Henrik Roth
  • 16. Nov.
  • 5 Min. Lesezeit

Der Rursee hat mir an diesem Morgen nichts geschenkt, was man als großes Bild bezeichnen würde. Und doch war der Tag wertvoll. Er hat mich daran erinnert, dass Licht sich nicht erzwingen lässt — und dass Photohiking mehr ist als das Ergebnis. Es ist der Weg, der Blick, das Erkennen dessen, was bleibt, wenn das Spektakel ausbleibt. · Von Lars-Henrik Roth


Manchmal braucht es einen Tag, an dem nichts gelingt, um die eigene Haltung wieder geradezurücken. Der Rursee hat mir genau das gezeigt. Die Auswertung am Abend war nüchtern: kein Bild, das sich vordrängte, keine dieser Aufnahmen, die sofort im Kopf hängen bleiben. Und trotzdem hatte der Tag etwas, das sich erst mit Abstand entfaltete. Eine Art ruhige Klarheit, die man unterwegs nicht bemerkt, weil man noch im Suchen steckt.


Golden leuchtender Sonnenaufgang über dem Rursee, mit einer kleinen bewaldeten Halbinsel im Zentrum, warmen Herbstfarben an den Hängen und fein strukturierten Wolken, die fächerförmig über den Himmel ziehen.
Rursee im Morgenlicht

Ich hatte im vergangenen halben Jahr viele Momente erlebt, die fast unverschämt gut waren. Situationen, in denen alles von selbst zusammenfiel und die Kamera nur noch festhielt, was ohnehin schon da war. Vielleicht hatte sich genau dadurch eine Erwartung eingeschlichen, die ich nicht bewusst ausgesprochen hatte. Der Gedanke, dass starke Bilder Teil eines Automatismus seien. Doch das ist ein Irrtum, den man erst erkennt, wenn der Automatismus aussetzt.


Als ich früh in Rurberg ankam, lag der See still unter einer kalten, klaren Luft. Ich war allein. Zumindest dachte ich das, bis ich vor einer Baustelle stand, die mich sofort aus meiner inneren Ruhe holte. Zäune, Absperrungen, Maschinen – und die Ahnung, dass dieser Tag anders verlaufen würde, als ich es mir vorgestellt hatte. Der Rursee ist ein beliebter Ort, und seine Popularität zeigt sich nicht nur an warmen Tagen. Für viele ist er Ausflugsziel und Naherholungsort. Für mich ist er ein Prüfstein: ein Ort, der nur dann zu großer Form aufläuft, wenn das Zusammenspiel aus Wetter, Stimmung und Zufall stimmt.



Ich umrundete die Baustelle, fand den Einstieg zum Uferweg und sah die ersten Ahnungen des Tageslichts. Es war kein spektakulärer Beginn. Ein feiner Schleier auf dem Wasser, ein zarter Ton im Himmel. Alles vorsichtig, tastend, verhalten. Ich nahm die Kamera in die Hand, mehr aus Gewohnheit als aus innerer Überzeugung. Die Sonne schob sich hinter dünnen Wolken hervor, kurz warm, dann schon zu entschlossen. Ein paar Reflexe, eine kleine Öffnung im Laub, ein Moment, der aufblitzte und wieder verging. Kein Motiv, das sich anbot, aber genug, um weiterzugehen.


Der Weg zum Paulusdamm ist breit, sicher und für viele Menschen gemacht. Ein angenehmer Spazierweg, kein Ort für fotografische Überraschungen. Die Geländer setzen klare Grenzen, die Blickachsen sind festgelegt. Ich ging weiter, weil der See trotzdem eine Präsenz hat, die trägt. Nicht überwältigend, aber konstant. Und weil manche Motive nur dann erscheinen, wenn man in Bewegung bleibt.



Am Damm selbst blieb ich eine Weile stehen. Das Wasser bewegte sich in kleinen Wellen, der Wind kam stoßweise. Ich machte eine Langzeitaufnahme. Nicht, weil mich etwas rief, sondern weil ich spürte, dass dies der ruhigste Moment des Morgens war. Als die Sonne kurz hinter Wolken verschwand, spiegelte sich der Hang im Wasser – nur für einen Atemzug, aber doch genug, um einmal innezuhalten. Dieser kleine Moment wurde rückblickend zum stärksten Bild des Tages. Nicht, weil es technisch herausragend war, sondern weil es ehrlich war.


Der Weg zur Urftstaumauer führte mich weiter hinein in den Vormittag. Die Sonne gewann Kraft, die Schatten wurden hart, der See flacher im Ausdruck. Spätestens hier war klar, dass der fotografische Teil der Tour beendet war. Der Rest würde ein körperlicher werden. Der Hike kippte vom Suchen ins Gehen.



Als der Weg anstieg und der Kermeterwald näherkam, änderte sich die Stimmung. Der Wald ist ein alter, naturbelassener Raum, streng geschützt, mit vielen toten Fichten, die wie verlorene Zeilen aus einer anderen Zeit zwischen den Buchen stehen. Man darf die Wege nicht verlassen, und das verleiht ihm seine eigene Atmosphäre. Fotografisch bedeutet es Einschränkung: keine Miniaturen, keine Bodenmotive, keine freie Wahl der Perspektive. Aber in seiner Ehrlichkeit liegt eine Ruhe, die gut tut. Ein Wald, der nicht gefallen will.


Weitläufiger Blick über das herbstlich gefärbte Rurstal mit goldenen Birkenhängen und ruhiger Wasserfläche, aufgenommen vom felsigen Aussichtspunkt im Kermeterwald.
Herbstpanorama über dem Rurtal

Ich verstaut die Kamera, nicht aus Frust, sondern aus Einsicht. Manche Abschnitte sind nicht für Bilder gemacht, sondern für die Gedanken dazwischen. Der Anstieg war steil, der Weg lang, aber er wirkte wie ein Gegengewicht zu den Stunden vorher. Der Wald nahm das grelle Licht auf, das am See zu viel geworden war, und filterte es zu etwas Weicherem.


Auf dem Rückweg dachte ich an das Jahr, an meinen eigenen Anspruch, an diese stille, gewachsene Gelassenheit, die sich erst zeigt, wenn es nichts zu gewinnen gibt. Ich dachte an die Gefahr, die entsteht, wenn man sich selbst zum Performer macht. Und daran, wie wohltuend es ist, einen Tag zu erleben, der nicht glänzen muss, um bedeutsam zu sein.


Als ich später zu Hause die Bilder sichtete, sah ich auf den ersten Blick nur Durchschnitt. Kein Treffer, keine Höhepunkte. Aber auf den zweiten Blick sah ich etwas anderes: einen Tag, der mich wieder in der Spur ausgerichtet hatte. Einen Tag ohne Spektakel, aber mit Wirkung. Einen Tag, der mich daran erinnerte, dass ich nicht unterwegs bin, um Erwartungen zu erfüllen, sondern um wach zu bleiben.

Und vielleicht war genau das die eigentliche Aufnahme dieses Photohikes



📷 Fototipps

  • Sehr früh starten.Das beste Licht liegt vor 08:00 Uhr. Danach wird es schnell hart.

  • Uferzugang ist eingeschränkt. Breite Wege, viele Geländer, kaum Abstiegsmöglichkeiten zum Wasser. Die Kompositionen sind oft stark vorgegeben.

  • CPL gezielt einsetzen. Am Morgen gut, später hinderlich. Früh aktiv, später abnehmen.

  • Spiegelungsfenster nutzen. Echte Spiegelungen entstehen oft erst dann, wenn die Sonne hinter eine Wolkenschicht rutscht.

  • Paulusdamm: Gut für Linien & Langzeit, weniger für große Szenen.

  • Kermeterwald: Naturbelassen, Wegepflicht, viele tote Fichten. Keine Miniaturen, keine Bodenszenen — aber starke Atmosphäre.

💡 Besonderer Tipp

Der Rursee ist ein klassischer Photohike der Kategorie B: Er entfaltet fotografisches Potenzial nur bei:

  • Nebel

  • Himmelsröte

  • besonderen Wolken

  • diffusem Morgenlicht


Wer hier herausragende Fotos mitbringen will, sollte unter der Woche starten, vor Sonnenaufgang vor Ort sein und auf außergewöhnliche Wetterlagen setzen.


🏆 Bewertung Photohike Rursee

Kategorie

Wertung (1–10)

Kommentar

Fotowert

7,8

Stimmungsvolles Herbstlicht, aber stark wetterabhängig. Das volle Potenzial zeigt sich nur bei Nebel oder Himmelsglut.

Motivdichte

7,5

Viele ähnliche Ufer- und Waldabschnitte, wenige echte Highlights. Gute Motive nur an ausgewählten Spots.

Erlebniswert

8,3

Wunderschöne Landschaft, ruhige Wege, ein starker Morgenstern – aber weniger „magische“ Momente als erwartet.

Zugänglichkeit / Sicherheit

8,8

Breite Wege, stabile Pfade, gut beschildert. Für alle Fitnesslevel machbar. Teilweise überreguliert (Geländer, Zäune).

Gesamteindruck

7,9

Ein schöner, aber sehr wetterabhängiger Photohike. Bei Nebel oder tiefem Goldlicht stark – sonst eher Reportage als Kunst.


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