Photowalk Rursee & Tonberg – Zwischen Wildnis und Spiegelungen
- Lars-Henrik Roth
- 24. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Die Nacht war noch tiefschwarz, als ich um 4:30 Uhr ins Auto stieg. In der Vorbereitung hatte ich akribisch geplant: Route bei Komoot, Fotospots nach Google Maps, Satellitenbilder verglichen, Sichtachsen studiert. Der Tonberg sollte mein Hauptspot werden – eine freie Sicht nach Osten, perfekter Standort für das Morgenrot über dem Rursee. Traumhaft. Doch wie so oft in der Fotografie kam es anders: Die Wetterprognose kippte. Statt „Goldener Wolken“ nun dichte Bewölkung, vielleicht aber leichter Nebel über dem See – mystische Schwaden, von den ersten Sonnenstrahlen erleuchtet. Also Plan B. Man passt sich an. Mit Stirnlampe auf dem Kopf tauchte ich in den dunklen Wald ein.

Die Blaue Stunde setzte ein, erste Hoffnung. Am ersten Spot dann die Ernüchterung: kein Durchkommen, alles zugewachsen. Spot zwei: ebenfalls zu. Spot drei: wieder dicht. Erst unten am Ufer, nach einem kaum erkennbaren Pfad, das erste Erfolgserlebnis: Boote in einer Bucht, Langzeitbelichtungen im blauen Morgenlicht, dramatische Wolken über dem Wasser. So begann der Tag. Doch die Liste der Enttäuschungen riss nicht ab. Spot vier: fast alpine Steigung, bröckeliges Schiefergestein – aber am Ende ein Panorama mit zartem Orange über den Bergen. Kurz der Gedanke: Vielleicht lohnt sich die Mühe doch.

Am Tonberg selbst suchte ich nach dem sagenumwobenen Pfad zur alten Burgruine. Ein Wanderer hatte ihn im Netz erwähnt – doch wo einst ein Weg war, herrschte nun nur noch undurchdringliches Brombeergestrüpp. Mein Hauptspot war erledigt. Auch die weiteren drei geplanten Weitsichten: unzugänglich. Alles zugewachsen.

Jetzt kam der Trotz. Ich ließ mich nicht abspeisen. Am Ende einer Bucht wurde der Abstieg flacher, also hinunter. Über einen umgestürzten Baum kletternd – und plötzlich, fünf Meter vor mir: ein junger Keiler. Ein Augenblick voller Adrenalin, wir beide erschrocken. Doch nach kurzem Zögern entschied er sich für den Rückzug. Ich atmete auf – und ging weiter.Und dann: die Belohnung.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees öffnete sich der Blick. Zwischen zerrissenen Wolken ein zartes Orange, das sich im stillen Wasser spiegelte. Eine perfekte Szene, für die sich jeder Umweg gelohnt hatte. Auf dem Rückweg entdeckte ich noch den „alten Weg“ – breit, verwildert, von jungen Bäumen erobert, gesäumt von umgestürzten Stämmen. Offenbar einst ein Uferpfad, jetzt vergessen und vom Wald zurückgeholt. Ein Sinnbild dieses Photowalks: der See zieht sich zurück, die Natur nimmt sich den Raum.

Der letzte Teil der Tour war unspektakulär – doch in mir blieb ein Gefühl von Abenteuer. Nicht die geplanten Spots haben den Tag geprägt, sondern das Unvorhersehbare: das Scheitern, das Suchen, die Überraschung – und das Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu stehen.
🌟 Höhepunkte
Verlassene Uferpfade und überwucherte Aussichtspunkte, Sinnbild für die Rückeroberung der Natur
Begegnung mit einem Wildschwein
Adrenalin pur- Spiegelungen im Rursee bei zarter Morgenröte- Dramatische Wolken über dem See, eingefangen in der Blauen Stunde
📷 Fototipps
Immer flexibel bleiben: Wetter und Natur machen Pläne zunichte – improvisierte Spots sind oft die besten- Bei starkem Bewuchs lohnt sich der Blick auf Höhenlinien und alte Karten
manchmal führt ein vergessener Pfad doch noch zum Ziel
Blaue Stunde am Wasser: Stativ und Langzeitbelichtungen geben den Bildern eine besondere Tiefe
Ein Ultraweitwinkel ist am Seeufer Gold wert, um Vordergrund, Wasser und Himmel zusammenzubringen
💡 Besonderer Tipp
Scheitern gehört dazu. Jeder zugewachsene Spot, jede Umleitung formt den Blick für das, was bleibt: die Momente, die man nicht planen kann. Und genau diese Bilder tragen oft die größte Magie.
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